Volker Wittchow - Fotografie
Blog
3.10.2022
Gedanken zur aktuellen Landschaftsfotografie und Social-Media
Je länger ich mir Landschaftsfotos in den Sozialen-Netzwerken anschaue, umso mehr komme ich ins Zweifeln. Um was geht es den meisten bei der Fotografie heute eigentlich noch?
Da wird ständig zu den berühmtesten Spots geflogen. Beim ersten Tag eines Vulkanausbruchs stehen alle top Fotografen am Kraterrand und posten für die Welt. Um 5.00 Uhr morgens muss man als ambitionierter Landschaftsfotograf auf einer Bauernwiese in den Dolomiten stehen. Als neuster „Insta Versus Reality“ Hype wird neben dem 1000ten Bild vom Berg-Spot noch eines gezeigt, wo die anderen Hundert Fotografen danebenstehen, die genau den gleichen Sonnenuntergang ablichten. Ein vortreffliches "Fun Fact" Video, um noch mehr Traffic zu kreieren.
Da gibt es die gelben, roten Regenjacken oder Norweger-Pullis, die mir, in einer schönen und manchmal auch stinkend langweiligen Landschaft, Ihren anonymen Rücken anbieten. Der gesamte Social Media Account eingefärbt in eine hippe Tonung. Ja – ich habe solche Jackenbilder auch, wenn ich die Landschaft skalieren möchte, aber nicht als Wiedererkennungsmerkmal für einen Account.
Da wird manchmal aus 5 Landschaftsbildern eines komponiert, und man versucht mir eine Welt zu verkaufen, die es gar nicht gibt, meistens ohne darauf hinzuweisen. Oder man versucht mir im Bonuspack einen „Glow“ -Filter zu verkaufen, für noch mehr Atmosphäre in meinen Bildern. Mal ganz von den 100.000 unbedingt notwendigen Presets für Photoshop oder Lightroom abgesehen.
Dann gibt es noch die Reels und Story Fraktion. Jede Aktion muss durch lustige, pointierte, informative oder unnötige "Halligalli" Videos begleitet werden, da der Algorithmus für Fotos nicht mehr geeignet ist, um permanent neue "Follower" zu akquirieren. Für den Nutzer wird gleichzeitig noch der Anteil an ungewünschter Werbung erhöht und man fragt sich, was ist jetzt eigentlich noch Inhalt oder Werbung? Was hat das noch mit der Landschaftfotografie zu tun?
Mir scheint, jedes Mittel ist recht für noch mehr Fame, Attraction und Traffic. „Foto - Content – Production“: Wie in der aktuellen Presse, wo nur noch die Schlagzeilen gelesen werden, muss ein Foto heute richtig knallen. Mindestens einen Mega Vordergrund und ein Hauptmotiv im besten Licht…… Himmel, Sonnenstern und Highlights werden später am Rechner eingefügt, KI sei Dank. Und das "behind the Sceens" Video nicht vergessen.
Das alles wird einem als die „normale“ Welt verkauft. Die Landschaftsfotografie kommt mir manchmal so vor wie die Modewelt, in der Hungerhaken die Designerwäsche vorführen und dieses dem Publikum als Maß der Dinge verkauft wird.
Aber wie sieht es mit der Vielzahl von Fotografen wirklich aus? Wann kann man an den tollsten Spots am andern Ende der Erde wirklich fotografieren. Vielen fehlt die Zeit und das Geld nur seinen Neigungen folgen zu können. Wann hat man das Glück, optimale Wetterbedingungen an einem Spot vorzufinden? Wer möchte in einem Pulk von andere Fotografen stehen? Und möchten Fotografen anschließend stundenlang an einem Foto herumarbeiten, welches dann mit der Realität überhaupt nichts mehr zu tun hat? Oder geht es doch um ganz etwas anderes?
Ich kann die Frage nur für mich beantworten. Ich möchte vor allem eine schöne Zeit mit der Kamera in der Natur erleben. Ich möchte mich dabei weiter entwickeln, entspannen, neues entdecken und natürlich auch schöne, sehenswerte Fotos umsetzen. Ich möchte dabei die Natur mit Ihren Fassetten zeigen, und ja ich bin auch gerne mal an dem einen oder anderen schönen Platz außerhalb von Deutschland. Doch das ist eher Ausnahme und wenn möchte ich dort auch meine ganz eigene Welt entdecken und nicht das ablichten, was alle schon 100-mal getan haben.
Ich möchte die kleinen Dinge wahrnehmen, mir schöne Orte erwandern oder erfahren. Und die Welt zeigen, wie sie ist. Einfach eine gute, ruhige Zeit haben und am besten für ein paar Stunden alles andere vergessen.
Da brauche ich keinen Erfolgsdruck, Megahype um Bilder der schönsten Plätze oder stundenlange Bildbearbeitung.
Die Zeiten, die wirklich bleiben, sind die besonderen Momente in der Natur, an die man sich erinnert und von denen man immer wieder begeistert berichtet. Und das können auch die kleinen Dinge um die Ecke sein. Denn wenn man jemandem erzählt, dass man im Tümlauer Koog den Sonnenuntergang fotografiert hat und einen dabei ein Seehund neugierig beobachtet hat, dann zaubert das jedem ein Lächeln ins Gesicht.
Nicht, dass mich jemand falsch versteht! Jeder Fotograf ist anders und es gibt dort draußen wirklich begnadete Fotografen mit tollen Bildern, die sei es dokumentarisch, feinfühlig oder künstlerisch die Welt entdecken und teilen. Ich freue mich über all diese Beiträge.
Aber ich glaube, der Fokus vieler Fotografen liegt auf einer entspannten Zeit in der Natur. Es wäre schön, wenn dieses wieder mehr in den Fokus gerät.
Was meinst Du? Schreibe mir doch mal, was Du darüber denkst.
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