Volker Wittchow - Fotografie
Blog
7.7.2024
Strandkörbe und der kreative Prozess
Heute möchte ich einmal beschreiben, was beim Fotografieren am Strand in meinem fotografischen Prozess passiert und wie sich die Dinge entwickeln.
An einem Wochenende im Juni war ich mal wieder in St. Peter-Ording am Strand und bin zunächst durch die verlassenen Strandkorbreihen am Strand geschlendert und habe die ersten Fotos gemacht. Nach einer Fotopause muss ich mich immer erst „warm schießen“. Die Lust, die Kreativität und damit die besseren Bilder kommen meist erst später.
Irgendwann, wahrscheinlich aus gutem Grund ;) bin ich die Treppen des großen und hohen Toilettenpfahlbaus hinaufgestiegen. Von oben, aus der höheren Perspektive, ergab sich ein ganz neuer Blick auf die Sandbank. Eigentlich gefällt mir die hohe Position dort nicht zum Fotografieren. Doch an diesem Tag sollte es anders sein.
Da im Frühjahr die Strandkörbe nicht jeden Tag vermietet werden, abends nicht einfach welche gekapert und verdreht werden und auch eine gleiche Ausrichtung von der Tourismuszentrale favorisiert wird, standen an diesem Tag wirklich viele Strandkörbe in Reih und Glied.
So entstand durch die große Gleichförmigkeit ein Muster. Das war der Auslöser für mich, die Kamera zu zücken, und dann wurden Bilder aus verschiedenen Positionen gemacht, um die Gleichförmigkeit möglichst passend in Szene zu setzen und um diesen Eindruck zu verstärken. Dabei kam es auf den Bildausschnitt und die Position der einzelnen Strandkörbe an. Das entwickelte sich dann schon zu einem längeren Zeitvertreib und einer Vielzahl von Fotos an dem Tag. So weit, so gut.
Ein Wochenende später, das Wetter war nicht so fotogen, zog es mich wieder an den Strand und einmal auch wieder auf den Pfahlbau. Und wieder standen die Strandkörbe in Reih und Glied. Aber etwas war anders. Einer der Strandkörbe stand verdreht und die blau-weißen Streifen des Innenmusters unterbrachen das Muster der anderen Strandkörbe, die abgewandt standen.
Sofort kam mir der Gedanke. Einer ist immer anders als die anderen. Einer, der aus der Reihe tanzt. Der eine verrückte Fotograf, der wieder im Regen mit der Kamera unterwegs war. Dieses Thema Einzigartigkeit oder auch gegen den Strom schwimmen fand ich schon immer spannend. Und so wurde die Kamera wieder gezückt, um den einen blau-weißen in der Menge der abgewandten Strandkörbe zu fotografieren.
Der "besondere" Strandkorb stand relativ weit weg in der Menge und im Laufe der Bildgestaltung fand ich die Position nicht komplett optimal.
An dieser Stelle beginnt dann bei mir, auf Grund der ersten „kreativen“ Idee, ein Optimierungsprozess, um die Idee noch besser in Szene zu setzen. So wurde das Strandkorb-Schachbrett etwas verändert. Der zu weit hinten stehende Strandkorb wurde richtig in die Reihe gestellt und in der ersten Reihe einer verdreht.
Wieder rauf auf die Plattform und weitere 100 Fotos aus verschiedenen Positionen, bis ich auch davon genug hatte und erst einmal das 54 Grad Nord an diesem Abend in Angriff nahm. Schließlich ist der Pfahlbau bald nicht mehr da.
Auf dem Rückweg fiel partielles Sonnenlicht durch die Wolken auf die Sandbank und natürlich auf die Strandkörbe. Also musste ich wieder hoch auf den Pfahlbau und die stärkeren Kontraste ablichten. Aber nicht ohne vorher noch einen weiteren Strandkorb in der zweiten Reihe zu präparieren, um noch einmal einen anderen Eindruck zu erzeugen.
Ich wartete auf die nächsten kontrastreichen Sonnenmomente und probierte wieder einige Positionen aus. Normalerweise setze ich den „Störenfried“ eher außerhalb der Bildmitte in Szene, da es meist spannender wirkt. So auch in diesem Bild.
Aber diesmal habe ich auch die mittlere Position ausprobiert.
Und dann passierte es.
Während ich die Kamera auslöste korrigierte ich noch leicht den Bildausschnitt (Unfall) und schon war die Mitte scharf und alles andere drum herum unscharf. Immer noch kein optimaler Bildeindruck, aber mir gefiel, dass der eine blau-weiße Strandkorb jetzt noch mehr im Fokus stand und es etwas abstrakter wirkte.
Es folgten dann eine ganze Reihe von Aufnahmen bei denen ich während der kurzen Belichtung die Brennweite sehr schnell verstellte um den gewünschten Effekt zu optimieren. Ich experimentierte auch mit Filtern, um mehr Belichtungszeit für den Verzerrungseffekt zu bekommen.
Alles in allem dauerte es eine ganze Weile, in der ich ganz versunken diesen Prozess verfolgte und schaute, wohin er mich führte.
Unnötig zu erwähnen, dass ich trotz Kälte, Wind und Regen genau die Entspannung fand, die ich mir wünschte. In diesem Fall spricht man von einem Flow, in dem man sich befindet. Getragen von einer Idee, Kreativität, technischem Know-How und der nötigen Zeit sich weiterzuentwickeln.
Mit offenen Augen durch die Landschaft zu gehen, auch mehrmals zum gleichen Spot zurückkehren, neugierig zu sein, Dinge auszuprobieren, sich Zeit zu nehmen, all das gehört dazu und macht für mich den Reiz der Fotografie aus.
Aus einem ersten kreativen Geistesblitz, einer Idee entsteht Neugier, ein Prozess, Spaß am Ausprobieren und doch auch zielgerichtetes Handeln und manchmal eben nicht nur das Festhalten von vorhandenen Gegebenheiten, sondern auch das Hinarbeiten auf ein bestimmtes Bildergebnis.
Welches der gezeigten Bilder am Ende das Beste ist, liegt im Auge des Betrachters. Mir haben alle Bilder und vor allem der Entstehungsprozess Spaß gemacht.
Ich hoffe dir hat die kleine Bilderreise gefallen der meinen fotografischen Prozess aufgezeigt. Schreibe mir doch mal, was Du davon hältst oder wie es Dir beim Fotografieren geht.
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